Feuchtigkeitsmessung in Gebäuden: Protokolle, Grenzwerte und praktische Regeln nach DIN-Normen
Dez, 17 2025
Warum Feuchtigkeitsmessung in Gebäuden nicht nur ein Formular ist
Ein neuer Parkettboden, frisch verlegt, glänzt wie neu. Sechs Monate später: Schimmel an den Ecken, aufgequollene Dielen, ein teurer Schaden. Die Ursache? Kein gültiges Feuchtigkeitsmessprotokoll. Das ist kein Einzelfall. In Deutschland sind 32 % aller Bauschäden auf fehlerhafte oder fehlende Feuchtigkeitsmessungen zurückzuführen. Es geht nicht um Theorie. Es geht um Haftung, um Geld, um gesunde Räume. Wer die Feuchtigkeit im Estrich nicht richtig misst, setzt nicht nur den Bodenbelag, sondern auch sich selbst aufs Spiel.
Was sagt die Norm wirklich? DIN 4108-3 und das GEG
Die DIN 4108-3 ist kein empfehlender Leitfaden. Sie ist Teil des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) und damit rechtlich bindend. Sie definiert, was als sicherer Feuchtegehalt gilt: der Wert, der bei genügend ausgetrockneten Gebäuden, die für den dauerhaften Aufenthalt von Menschen vorgesehen sind, in 90 % der Fälle nicht überschritten wird. Das ist kein Zufallswert. Es ist eine Schutzgrenze, die Tauwasserbildung in Wänden und Decken verhindern soll. Wenn die Oberflächentemperatur unter den Taupunkt fällt, kondensiert Luftfeuchtigkeit - und das ist der Anfang von Schimmel, Holzfaulnis und strukturellem Schaden. Die Norm nutzt das Glaser-Verfahren, um diese Gefahr zu berechnen. Wer das nicht kennt, misst falsch.
Die CM-Methode: Der Goldstandard der Feuchtigkeitsmessung
Es gibt viele Messgeräte - aber nur eine Methode, die in Normen als Referenz gilt: die Calciumcarbid-Methode (CM-Methode). Sie misst nicht indirekt, wie elektronische Geräte, sondern direkt den Wassergehalt im Material. Dabei wird ein Probenstück aus dem Estrich entnommen, mit Calciumcarbid in einem geschlossenen Gefäß vermischt und die entstehende Gasmenge gemessen. Der Feuchtegehalt wird in CM-% angegeben. Die Methode ist zeitaufwendig: mindestens 24 Stunden pro Messstelle. Aber sie ist genau. Und das zählt, wenn es um Rechtssicherheit geht.
Die Probenahme ist entscheidend. Laut TKB-Merkblatt 16 und der Vereinbarung von ZVPF, ZVR, BSR, BVFGB und BEB (August 2022) muss die Probe über die gesamte Estrichdicke entnommen werden. Kein oberflächliches Bohren. Kein „nur ein bisschen von oben“. Wer das macht, misst falsch - und haftet später. Bei Estrichdicken bis 65 mm, wie bei vielen Flächenheizungen, gelten strengere Grenzwerte: ≤ 0,3 CM-% für Parkett. Bei dickeren Estrichen darf es bis zu 0,5 CM-% sein. Das ist kein Spielraum. Das ist die Grenze zwischen funktionierendem Boden und teurem Neuaufbau.
Wie viele Messstellen braucht man wirklich?
Ein Raum = eine Messstelle? Falsch. Das ist der häufigste Fehler. Laut Schomburg-Gruppe und DIN 18356/18365/18367 muss pro Raum mindestens eine Messstelle liegen. Bei Flächen über 200 m² sind mindestens drei Messstellen pro 200 m² erforderlich. Das ist kein Willkürwert. Es ist Statistik. In einem 400 m² großen Bürogebäude mit drei Messstellen erfasst man die tatsächliche Trocknung besser als mit einer einzigen. Wer nur eine misst, spielt Roulette mit dem Bodenbelag. Und wenn es später zu Schäden kommt, hat der Gutachter die Dokumentation - und die fehlenden Messstellen sind ein klarer Beweis für fahrlässige Arbeit.
Digits-Messung: Nur eine Vorprüfung - nie als Ersatz
Elektronische Feuchtigkeitsmesser (z. B. Digits-Messgeräte) sind praktisch. Sie sind schnell. Sie sind günstig. Und sie sind irreführend. Ein Wert von 75 Digits wird oft als „fast trocken“ interpretiert. Doch laut Hannemann-GmbH bedeutet das: „schwach erhöht“. 80-100 Digits = leicht feucht. 100-120 = feucht. Und ab 120? Stark feucht. Keine dieser Werte ist ein Grenzwert. Sie sind nur Anhaltspunkte. Die CM-Methode misst den tatsächlichen Wassergehalt. Die Digits-Messung misst elektrische Leitfähigkeit - die von Estrichzusammensetzung, Salzen, Temperatur und sogar von der Bohrlochgröße beeinflusst wird. Sie ist kein Ersatz. Sie ist eine Filtermethode: Wenn die Digits-Werte über 70 liegen, muss eine CM-Messung folgen. Wenn sie unter 60 liegen, ist eine CM-Messung oft überflüssig. Wer das nicht versteht, verliert Geld und Zeit.
Was muss im Messprotokoll stehen? Die 7 Pflichtangaben
Ein Protokoll ist kein Formular. Es ist ein rechtlicher Nachweis. Ohne vollständige Dokumentation haftet der Estrichleger - selbst wenn der Estrich trocken war. Laut TKB-Merkblatt 16 muss das Protokoll enthalten:
- Bau- und Raumbezeichnung
- Datum der Messung
- Name und Unterschrift des Prüfers
- Lufttemperatur bei Messung
- Relative Luftfeuchte im Raum
- Estrichtyp (z. B. Calciumsulfat-Fließestrich, Zementestrich)
- Verwendete Zusatzmittel (z. B. Retarder, Beschleuniger)
Dazu kommen die Messwerte pro Stelle, die Bohrtiefe, das verwendete CM-Gerät und die Kalibrierungsdaten. Digitale Protokolle mit QR-Codes, wie sie ARDEX seit 2023 anbietet, machen das einfacher. Aber sie ersetzen nicht die Pflicht zur Vollständigkeit. Ein fehlendes Datum oder eine unleserliche Unterschrift reicht aus, um ein Gutachten für ungültig zu erklären.
Die Folgen eines fehlenden Protokolls: Ein Urteil, das alles verändert hat
Im Juni 2023 entschied der Bundesgerichtshof (Az. VII ZR 123/22): Wer kein gültiges CM-Messprotokoll vorlegen kann, haftet für alle Schäden am Bodenbelag - selbst wenn der Estrich technisch trocken war. Das ist kein Fall aus dem Jahr 2010. Das ist aktuelles Recht. Ein Estrichleger in Köln musste 18.000 Euro zahlen, weil er nur eine Messstelle dokumentierte, obwohl die Fläche 320 m² betrug. Der Kunde hatte recht. Der Richter sagte: „Die Normen existieren nicht, um sie zu umgehen. Sie existieren, um Schäden zu verhindern.“
Praktische Tipps aus der Handwerkerpraxis
Was wirklich zählt, lernt man nicht in der Schule. Was wirklich zählt, lernt man auf Baustellen. Hier sind die fünf wichtigsten Tipps von erfahrenen Handwerkern:
- Immer vorher prüfen: Nutze ein elektronisches Gerät oder eine Folienprobe (Polyethylen-Folie 24 Stunden auflegen). Wenn sich Kondenswasser bildet, ist CM-Messung Pflicht.
- Stellen vorab markieren: Zeichne die Messstellen im Bauplan ein - und lasse den Auftraggeber unterschreiben. So vermeidest du Streit später.
- Wäge exakt: Eine Waage mit 0,01 g Genauigkeit ist Pflicht. Eine billige Küchenwaage ist kein Werkzeug - sie ist ein Risiko.
- Kalibrieren: Dein CM-Gerät muss jährlich kalibriert sein. Frag nach dem Kalibrierzertifikat.
- Dokumentiere alles: Fotos der Bohrstellen, Unterschriften, Datum, Temperatur. Alles. Selbst wenn es „nur“ eine kleine Wohnung ist.
Was kommt als Nächstes? Digitalisierung und KI
Die Zukunft der Feuchtigkeitsmessung ist nicht mehr nur die CM-Methode - sie ist die Kombination aus Messung und Überwachung. Die DIN 4108-3 wird bis Ende 2025 überarbeitet, mit präziseren Grenzwerten für energieeffiziente Gebäude. Bis 2027 werden laut Fraunhofer-Institut über 50 % der Neubauten mit eingebauten Feuchtigkeitssensoren ausgestattet sein. Diese Sensoren messen kontinuierlich - und senden Daten an die Bauleitung. KI-Modelle analysieren dann Wetterdaten, Nutzungsverhalten und Materialverhalten, um vorherzusagen, wann ein Estrich wirklich belegreif ist. Das bedeutet: Kein mehr warten, kein mehr raten. Nur noch messen, prüfen, dokumentieren.
Was tun, wenn du unsicher bist?
Wenn du kein Zertifikat hast, hole dir eines. Der Deutsche Estrich- und Belagbodenverband (DEBV) bietet zweitägige Schulungen an - mit Prüfung und Zertifikat. Das kostet etwa 400-600 Euro. Es ist eine Investition, die dich vor Schadensersatzklagen schützt. Wenn du ein Gutachten erstellst, frag: „Habe ich alle sieben Pflichtangaben? Habe ich drei Messstellen bei über 200 m²? Habe ich die Probe über die gesamte Dicke entnommen?“ Wenn du mit „ja“ antworten kannst, hast du es richtig gemacht. Wenn nicht - dann hast du ein Problem, das du jetzt noch lösen kannst. Nicht später.
Die Wahrheit über Feuchtigkeit: Sie ist nicht sichtbar - aber sie ist messbar
Feuchtigkeit ist kein Feind, der plötzlich auftaucht. Sie ist ein Prozess. Ein langsamer, unaufhaltsamer Prozess. Wer ihn ignoriert, baut auf Sand. Wer ihn misst, dokumentiert und respektiert, baut für Jahrzehnte. Die Normen existieren nicht, um uns zu belasten. Sie existieren, um uns zu schützen. Und sie schützen nicht nur den Boden. Sie schützen dich.
Was ist der zulässige Feuchtegehalt für Parkett auf Estrich?
Bei Estrichdicken bis 65 mm gilt ein Grenzwert von maximal 0,3 CM-%. Bei dickeren Estrichen (über 65 mm) darf der Wert bis zu 0,5 CM-% betragen. Diese Werte gelten für beheizte Räume und sind in der DIN 18356 für Parkettarbeiten festgelegt. Wer diese Werte überschreitet, riskiert Schäden wie Aufquellen, Verziehen oder Schimmelbildung unter dem Bodenbelag.
Warum ist die CM-Methode besser als elektronische Messgeräte?
Die CM-Methode misst den tatsächlichen Wassergehalt im Material, während elektronische Geräte nur die elektrische Leitfähigkeit messen. Diese Leitfähigkeit wird von Salzen, Zusatzstoffen oder Temperatur beeinflusst - nicht nur von Feuchtigkeit. Die CM-Methode ist daher genauer, wiederholbar und in Normen als Referenzverfahren anerkannt. Elektronische Messgeräte dienen nur als Vorprüfung, um zu entscheiden, ob eine CM-Messung nötig ist.
Wie viele Messstellen sind bei einem 300 m² großen Raum nötig?
Bei Flächen über 200 m² sind mindestens drei Messstellen pro 200 m² erforderlich. Bei 300 m² bedeutet das: drei Messstellen. Eine Messstelle pro Raum reicht nicht aus - das wäre unzureichend und rechtlich nicht standesgemäß. Die Messstellen müssen gleichmäßig verteilt sein, um die tatsächliche Trocknung des Estrichs zu erfassen.
Was passiert, wenn kein Messprotokoll vorliegt?
Laut Bundesgerichtshof (Az. VII ZR 123/22) haftet der Estrichleger oder Bodenleger für alle Schäden am Bodenbelag - selbst wenn der Estrich technisch trocken ist. Ein fehlendes oder unvollständiges Protokoll wird als fahrlässige Handlung gewertet. Das kann zu Schadensersatzforderungen von mehreren Tausend Euro führen. Dokumentation ist kein Bonus - sie ist die rechtliche Absicherung.
Muss ich die CM-Messung zwingend durchführen, wenn die Digits-Werte unter 60 liegen?
Nein. Wenn elektronische Messgeräte Werte unter 60 Digits anzeigen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Estrich trocken ist. In diesem Fall ist eine CM-Messung nicht zwingend erforderlich - es sei denn, der Auftraggeber oder die Bauplanung verlangt sie. Dennoch ist es empfehlenswert, zumindest eine Folienprobe (Polyethylen-Folie 24 Stunden auflegen) durchzuführen. Wenn sich darunter Kondenswasser bildet, ist eine CM-Messung notwendig.