Wertverlust durch Umweltschäden an Immobilien: So sichern Sie Ihr Grundstück ab

Wertverlust durch Umweltschäden an Immobilien: So sichern Sie Ihr Grundstück ab Okt, 23 2025

Stellen Sie sich vor, Sie haben jahrelang in Ihr Zuhause investiert - Renovierungen, neue Fenster, eine moderne Heizung. Dann kommt ein Gutachten: Ihr Grundstück liegt in einem Gebiet, das langsam absackt. Die Bodenverschiebung hat Risse in der Wand verursacht. Der Wert Ihrer Immobilie ist in zwei Jahren um 40 % gesunken. Und Ihre Versicherung zahlt nichts. Das ist keine Science-Fiction. Das passiert heute in der Schweiz, in Teilen Deutschlands und immer öfter auch in Hildesheim und Umgebung.

Was genau ist ein Wertverlust durch Umweltschäden?

Ein Wertverlust durch Umweltschäden bedeutet: Ihre Immobilie wird billiger, nicht weil sie alt ist, sondern weil die Umwelt sie kaputt macht. Das kann durch plötzliche Ereignisse passieren - wie ein Hochwasser, das den Keller überschwemmt. Aber auch durch langsame, unsichtbare Prozesse: Bodensenkungen durch Grundwasserentnahme, Schadstoffe im Boden wie PFAS, oder die drohende Verödung eines Viertels, weil es künftig zu heiß wird, um darin zu wohnen.

Die meisten Menschen denken, ihre Gebäudeversicherung deckt alles ab. Tatsächlich ist das ein gefährlicher Irrtum. Die Standard-Gebäudeversicherung in der Schweiz und Deutschland zahlt nur für plötzliche, äußere Ereignisse: Feuer, Blitzschlag, Sturm, Hagel, Leitungswasser. Langsame Schäden - wie Risse durch Bodenbewegung, Bodenverunreinigungen oder Klimawandel-Effekte - sind meist ausgeschlossen.

Ein Beispiel aus Brienz: Nach den Rutschungen 2021 stiegen die Versicherungsprämien für viele Häuser um 220 %. Einige Immobilien wurden komplett unversicherbar. Kein Versicherer wollte mehr riskieren. Der Wert der Häuser fiel, weil niemand mehr kaufen wollte - und die Banken keine Kredite mehr gaben.

Was deckt die Gebäudeversicherung wirklich ab?

Die Gebäudeversicherung ist in der Schweiz in den meisten Kantonen obligatorisch. Sie ist ein Kantonssystem, nicht bundesweit einheitlich. In den meisten Kantonen deckt sie:

  • Feuer, Blitzschlag, Explosion
  • Sturm (mit Windgeschwindigkeiten ab 8 Beaufort)
  • Hagel
  • Leitungswasserschäden (nur wenn die Leitung bricht)

Aber nicht:

  • Bodensenkungen oder Rutschungen (außer in Graubünden seit 2019)
  • Hochwasser (in den meisten Kantonen nicht)
  • Erdrutsche
  • Lawinen
  • PFAS- oder Chemikalienschäden im Boden
  • Wertverlust durch Klimarisiken (z. B. steigende Temperaturen, Trockenheit)

Das bedeutet: Wenn Ihr Keller über Jahre hinweg nass wird, weil das Grundwasser steigt - und das nicht durch eine defekte Leitung, sondern durch Klimawandel - zahlt die Versicherung nicht. Wenn Ihr Grundstück neben einer alten Industriebrache liegt, wo früher Chemikalien in den Boden gelaufen sind - und das erst jetzt durch Bodenproben auffällt - zahlt die Versicherung nicht.

Die Schweizerische Versicherungsverband (SVV) bestätigt in einem Positionspapier vom März 2022: Langfristige Umweltbelastungen sind nicht versicherbar. Sie sind zu unvorhersehbar, zu teuer, zu langsam. Und das ist das Problem.

Was ist mit Naturgefahrenversicherungen?

In Österreich und einigen Schweizer Kantonen gibt es freiwillige Naturgefahrenversicherungen. Sie decken Hochwasser, Erdrutsche, Lawinen - aber nur, wenn sie als plötzlich eingestuft werden. Ein Boden, der langsam absackt? Nicht versichert.

Die Prämien dafür variieren stark. In sicheren Zonen zahlen Sie 0,05 % des Versicherungswerts pro Jahr. In Hochrisikogebieten - wie entlang von Flüssen oder in Bergregionen - können es bis zu 0,2 % sein. Das klingt wenig, aber bei einer Immobilie von 500.000 € sind das 1.000 € pro Jahr. Und das nur für Naturgefahren. PFAS oder Bodenverunreinigungen sind immer noch ausgeschlossen.

Die Versicherungswirtschaft Schweiz (VWS) prognostiziert: Bis 2025 werden in 15 % der Schweizer Gemeinden die Prämien für Naturgefahren um mehr als 50 % steigen. In ländlichen Regionen mit geringer Bevölkerungsdichte wird es noch schlimmer. Wer dort wohnt, zahlt mehr - oder bekommt gar keine Versicherung mehr.

Hausbesitzer hält Bodenuntersuchung mit PFAS-Werten, industrielle Brache im Hintergrund.

Der PFAS-Skandal: Die unsichtbare Zeitbombe

PFAS - per- und polyfluorierte Chemikalien - sind in Tausenden Produkten enthalten: von beschichteten Pfannen über Textilien bis hin zu Industrieabfällen. Sie sind extrem langlebig, reichern sich im Boden und Grundwasser an und gelten als krebserregend.

In den USA haben die Versicherer bereits 10 Milliarden Dollar für Schäden durch PFAS bezahlt. In Belgien waren es 571 Millionen Euro. In der Schweiz und Deutschland ist das Thema noch kaum bekannt - aber es kommt.

Ein Fall aus Zürich: Ein Investor kaufte 2020 ein Grundstück, das nach der Kaufprüfung als „unkritisch“ galt. 2023 wurde bei einer Bodenuntersuchung PFAS in einer Konzentration von 120 µg/kg gefunden - über dem Grenzwert. Der Wert der Immobilie fiel um 35 %. Keine Versicherung wollte zahlen. Kein Käufer wollte das Grundstück. Der Eigentümer sitzt auf einem „Stranded Asset“ - einem wertlosen Vermögensgegenstand.

Dr. Thomas Schirmer von der LBBW warnt seit 2021: PFAS könnte der nächste Asbest-Skandal werden - mit Schadenssummen in dreistelliger Milliardenhöhe. Und bis heute gibt es keine Versicherung, die diese Risiken abdeckt. Einige nordamerikanische Versicherer schließen PFAS sogar in neuen Firmenhaftpflichtverträgen aus. Das ist ein Warnsignal.

Wie schützen Sie sich vor Wertverlust?

Wenn Sie Eigentümer sind, können Sie nicht warten, bis die Versicherung kommt. Sie müssen jetzt handeln. Hier sind die konkreten Schritte:

  1. Prüfen Sie die Gefahrenkarten des Bafu - das Bundesamt für Umwelt in der Schweiz stellt kostenlose, interaktive Karten online zur Verfügung. Suchen Sie nach Risiken: Rutschungen, Hochwasser, Bodenbewegungen. Auch in Deutschland gibt es ähnliche Karten der Länderbehörden.
  2. Analysieren Sie den Boden - wenn Ihr Grundstück in der Nähe einer alten Industriebrache liegt, lassen Sie eine Bodenuntersuchung machen. Kosten: ca. 800-1.500 €. Viel günstiger als ein späterer Wertverlust.
  3. Prüfen Sie Ihre Versicherung - lesen Sie den Versicherungsvertrag. Nicht nur die Überschrift. Suchen Sie nach Ausschlüssen: „Langsame Bodenbewegungen“, „Umweltverschmutzung“, „Schadstoffe“. Wenn Sie unsicher sind, fragen Sie einen Versicherungsberater - nicht den Makler, der Ihnen die Police verkaufen will.
  4. Holen Sie drei Angebote ein - die Schweizerische Bank für Wiederaufbau empfiehlt: Vergleichen Sie mindestens drei Anbieter. Nicht nur nach Preis, sondern nach Leistung. Einige Anbieter bieten Zusatzbausteine für Bodenrisiken an - aber nur, wenn Sie sie explizit verlangen.
  5. Denken Sie an die Zukunft - ab 2024 gilt die EU-Taxonomie: Immobilien mit schlechter Energiebilanz gelten als „nicht nachhaltig“. Das bedeutet: Wer bis 2050 nicht sanieren kann, verliert bis zu 25 % an Wert. Eine Energiesanierung ist keine Kostenfrage - sie ist eine Versicherung gegen Wertverlust.
Haus sinkt in den Boden, umgeben von brennenden Versicherungspapieren und Hitzewellen.

Warum funktionieren die aktuellen Systeme nicht?

Die Schweizer Elementarversicherung ist ein guter Ansatz - sie ist obligatorisch, schnell und transparent. 4,2 von 5 Sternen gaben Nutzer im Haus&Grund-Verband-Umfrage. Aber sie deckt nur die Spitze des Eisbergs.

Das Problem ist strukturell: Versicherungen sind für plötzliche, einzigartige Ereignisse gebaut - nicht für langsame, globale Trends. Klimawandel ist kein Sturm. Er ist ein Anstieg der Durchschnittstemperatur, ein Rückgang der Niederschläge, ein steigender Grundwasserspiegel. Das sind Prozesse, die über Jahrzehnte wirken. Versicherer können das nicht berechnen. Deshalb ignorieren sie es.

Der Schweizerische Versicherungsombudsman Hanspeter Gassmann sagt es klar: „Die bestehenden Modelle sind völlig unzureichend.“

Und dann gibt es noch die Quersubventionierung: In Deutschland zahlt jeder denselben Preis - egal, ob er in einem Hochwassergebiet oder in der Wüste wohnt. Das ist fair? Nein. Es macht die Versicherung teurer für die, die kein Risiko haben. Und sie versteckt das Risiko für die, die es haben.

Was kommt als Nächstes?

Die Zahlen sind klar: Seit 2010 sind Schadenshäufigkeiten durch Wetterextreme um 47 % gestiegen. Die Schadenssumme pro Ereignis ist um 83 % angestiegen. Der globale Markt für Klimarisiken wird bis 2030 auf 120 Milliarden Euro wachsen.

Die Schweiz ist Vorreiter - aber sie ist nicht bereit. Bis 2040 prognostiziert der Klimaforscher Dr. Markus Müller vom Paul Scherrer Institut: Die versicherten Schäden durch Naturereignisse steigen um 150-200 %. Das bedeutet: Entweder zahlen wir viel mehr - oder wir verlieren viele Immobilien.

Die OECD warnt: Die Lücke zwischen versicherten und tatsächlichen Schäden wächst. Das ist eine Zeitbombe. Und sie tickt.

Was können Sie jetzt tun?

Sie können nichts dagegen tun, dass die Erde sich erwärmt. Aber Sie können etwas dagegen tun, dass Ihr Zuhause wertlos wird.

Prüfen Sie Ihre Immobilie. Fragen Sie nach Bodenuntersuchungen. Lesen Sie Ihren Versicherungsvertrag. Vergleichen Sie Angebote. Sanieren Sie Ihr Haus. Wer jetzt handelt, verliert nicht nur Geld - er behält seinen Wert.

Der Wertverlust durch Umweltschäden ist kein abstraktes Risiko. Er ist real. Und er ist heute schon da.